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Wiedereröffnung der Südkurve zum Heimspiel gegen Ingolstadt
Hallo St. Pauli-Fans,
wir haben seit Beginn der Pandemie und der Auswirkungen auf den Stadionbesuch zwei Mal unsere Gedanken mit euch geteilt und unsere Beweggründe für den gewählten Umgang dargelegt. Dies möchten wir abermals tun, da sich die Rahmenbedingungen rund um die Spiele des FC St. Pauli maßgeblich verändert haben und wir nach aktueller Bewertung und Entwicklungen endlich die Möglichkeit sehen, zum Heimspiel gegen Ingolstadt ins Stadion zurückzukehren.
Es bestand selbstverständlich immer der Wunsch, Lösungen zu finden und wir waren dazu stets mit den Vereinsoffiziellen im Austausch. Ausgangspunkt ist nun die aktuelle Entwicklung, dass im Rahmen eines Corona-Schutzkonzeptes wieder eine große Anzahl Fans zugelassen werden kann. Fünfzig Prozent Auslastung bedeutet in unserem Fall, dass im Grunde alle Fans mit Dauerkarten und Saisonkarten wieder teilhaben können. Dies – in Kombination mit der weitgehenden Erfüllung unserer weiteren Wünsche und Rahmenbedingungen – bietet die Möglichkeit, in unsere Kurve und unser Stadion zurückzukehren.
Im Folgenden möchten wir einzelne Punkte und Vereinbarungen aufgreifen.
Wie oben bereits erwähnt, sorgen der hohe mögliche Auslastungsgrad und die gelockerten Hygienevorschriften dafür, dass ein Stadionerlebnis möglich wird, in dem die Fan- und Tribünenkultur, wie wir sie als elementar für den Fußball ansehen, wieder möglich ist. Nahezu alle Dauerkarten- und Saisonkarteninhaberinnen und -inhaber haben die Möglichkeit, ein Ticket zu bekommen. Die Stehplätze der Südkurve werden nach aktuellen Planungen gegen Ingolstadt nahezu komplett gefüllt und Ultras ist auch im Stadion wieder möglich!
Es gibt keine Restriktionen bei Fanmaterialien oder der Bewegungsfreiheit in der Kurve. Außerdem sind wir uns völlig mit dem Verein einig, immer die maximal mögliche Anzahl an Gästefans zuzulassen.
Die zur Corona-Nachverfolgung nötigen Personendaten dieser Tickets werden bei unserem Verein vorgehalten und Bullen haben keinen Zugriff darauf – eine Tatsache, die uns bei dem absurden Vorgehen der „Sicherheitsbehörden“ entspannt. Der Verein wird des Weiteren an den jeweiligen Gastverein herantreten und ermöglichen, dass die Daten von Gästefans weitestgehend beim jeweiligen Gastverein gespeichert werden.
Wir werden kritisch begleiten, wie diese Rahmenbedingungen sich entwickeln. Es bleibt eine dynamische Situation, von der niemand weiß, wie sie sich entwickeln wird. Auch auf Basis von Diskussionen mit vielen Gruppen und Einzelpersonen werden wir die kommenden Entwicklungen abwägen und danach handeln. Dies betrifft zudem Auswärtsspiele. Natürlich zieht es uns in die Gästeblöcke der Liga – es bleibt aber leider kurzfristig nur die Einzelfallbeurteilung, ob die jeweiligen Bedingungen es sinnvoll erscheinen lassen, zu fahren. 200 Gästekarten und Maskenpflicht tun das in der Regel nicht.
Mit der von der Stadt vorgegebenen 2G-Reglung ist es leider immer noch nicht möglich, dass wirklich allen das Kurvenerlebnis ermöglicht wird. Daran ist niemand außer dieser beschissenen Pandemie schuld und daher soll es wichtige Entwicklungen für Gruppe und Fanszene nicht dauerhaft blockieren – es ist aber unbefriedigend und muss im Bewusstsein bleiben. Uns ist und war immer bewusst, dass wir vermutlich noch Jahre warten müssten, bis wirklich „alle“ wieder unbeschwert dabei sein können. Wir rufen euch auf, euch testen zu lassen bevor ihr ins Stadion geht – auch wenn es nicht vorgeschrieben sein wird. Es ist solidarisch und in der Kombination der beste Schutz für alle Vulnerablen, die auf ein sicheres Stadionerlebnis angewiesen sind.
Gegen Ingolstadt sollen die Stehplätze der Südkurve das erste Mal wieder ihre Magie versprühen. Die Umbrüche und Herausforderungen der Pandemie haben außerdem einen angeregten Austausch mit dem Verein über die Weiterentwicklung des Fankurven-Konzeptes vorangetrieben und die Idee konkretisiert, nach oben auf die Sitzplätze zu wachsen. Wir sind hierzu mit allen beteiligten Parteien in Gesprächen und fokussieren, dass wir in naher Zukunft unter den genannten Voraussetzungen ein Pilotprojekt mit unseren Vorstellungen umsetzen können. Hierzu gibt es zur gegebener Zeit weitere Informationen.
Unsere Herzen brennen! Diese Saison hatte schon so viele Glücksmomente, doch das Beste kommt noch!
Noch mehr als sonst besteht die Erwartung an jede und jeden, der/die in die Südkurve geht, alles zu geben und sich daran messen zu lassen.
Das genaue Prozedere der Ticketvergabe könnt ihr aus der Kommunikation des Kartencenters vom Verein entnehmen. Solltet ihr darüber keine Karte beziehen können, wendet euch an home@ultra-stpauli.de.
ST. PAULI! ULTRAS! SÜDKURVE!
Ultrà Sankt Pauli, September 2021
Leave no one behind
Mir leben ejbig! Ein Nachruf auf Esther Bejarano
1924 wurde Esther Bejarano im Saarland in einem jüdischen Elternhaus geboren. Die Familie Bejarano versuchte dem eliminatorischen Antisemitismus des deutschen Faschismus zu entfliehen. Esthers Bruder schaffte es in die USA, ihre Schwester nach Palästina zu fliehen. Für die in Deutschland verbliebenen Familienmitglieder wurde das Leben in Deutschland von antisemitischen Terror bestimmt. Esthers Eltern wurden in Kowno (Litauen) ermordet. Esther musste Zwangsarbeit verrichten und wurde am 19. April 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Sie erhielt die Häftlingsnummer 41948.
Ihr Mut, Glück und die Liebe zur Musik verhalfen ihr als Akkordeon-Spielerin dem Mädchen-Orchester von Auschwitz beizutreten. In Lübz (Mecklenburg Vorpommern) wurde Esther und Freundinnen befreit, sie trafen beim Todesmarsch aus den Konzentrationslagern auf Soldaten der Roten Armee und der US Streitkräfte.
Vielen stockte der Atem und die Spucke im Hals wurde bleischwer, wenn Esther von ihren Erfahrungen berichtete. Kaum vorstellbar gerade, diese Geschichte nicht mehr erster Hands hören zu können. Ihre Stimme, ihre Gedanken waren klar, ihre Menschlichkeit in den Vorträgen spürbar und so verhalf sie dabei Generationen zum Zuhören zu bringen und Solidarität zu lernen. Sie gab den 1,3 Millionen Menschen die in Auschwitz ermordet wurden eine Stimme – eine einmalige Stimme, ihre Stimme. Die ohrenbetäubende Stille nach ihrem Tod schmerzt.
Bis zuletzt setzte sich Esther für die hervorgehobene Bedeutung des 8. Mai ein, der Tag der Befreiung, der historischen Niederlage das Nationalsozialismus. Ihr politisches und gesellschaftliches Engagement machte aus einem Erinnern ein Handeln. Es galt alten wie neuen Rechten entgegenzutreten und ihre Worte mobilisierten stets viele Menschen und gaben ihnen den Mut zum Widerstand. Esther machte in diesem Zusammenhang auch immer wieder deutlich, dass wer gegen Nazis kämpfen würde, sich nicht auf den Staat verlassen könnte. Traurig stimmt es einen daher im Hinblick darauf, welche Kämpfe sie zu führen gezwungen war, zum Beispiel der Entzug der Gemeinnützigkeit des VVN-BDA in einer Zeit gesellschaftlichen Rechtsrucks. Ihr Engagement bedeutete Solidarität, mit Geflüchteten, mit gesellschaftlich Marginalisierten, mit den Menschen, die trotz allem den Mut fanden sich gegen die Feinde der Menschlichkeit stark zu machen. Ihre Stimme drang mit einer scharfen Kritik in Bereiche ein, die oftmals viele für unerreichbar hielten. Ihre Stimme war immer zugleich Musik – wie sie unermüdlich zeigte und auf Konzerten unzählige Menschen mitriss. Unvergessen bleibt uns dabei ihr Auftritt beim Antira 2016 auf Sankt Pauli, als sie auf der Gegengrade sang und Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und Zusammenhängen bei „Bella Ciao“ mit einstimmten.
Diese Stimme, sie wird fehlen, sie wird vermisst werden. Sie wird aber auch mit unserer aller Hilfe widerhallen und auf ewig bleiben. Ihre Erinnerung und das Andenken an sie bedeuten weiterzumachen: Den Rechten zu trotzen, selbst wenn es uns jetzt schwerer scheint als zuvor.
Danke für alles Esther.