Spendensammlung und Einordnung Spruchband
Unsere Fanszene und auch wir als USP sind bekannt dafür, politische Positionierungen im Stadion nicht zu scheuen. Im Gegenteil ist es ein elementarer Teil unseres Selbstverständnisses, ein politisches Bewusstsein zu kultivieren – es ist ein Teil der Grundlage, die nicht nur uns, sondern unseren gesamten Verein seit Ende der 1980er-Jahre zu dem gemacht hat, was wir sind. Wir waren und sind stets auch Akteur*innen innerhalb der politischen Linken – das durchzieht neben der Fanszene auch den Verein.
Daraus erwächst der – manchmal vielleicht sogar übersteigerte Anspruch – sich zu Geschehnissen auf der Welt zu positionieren. Als große Fanszene eines Fußballvereins müssen wir dabei stets eine Basis aushandeln, auf der diese politische Arbeit möglich und nicht zersetzend ist. Der Nahost-Konflikt ist in dieser Hinsicht besonders kompliziert.
Seit den 1960er/70er-Jahren hat der Nahost-Konflikt die Linke in Deutschland und Europa so tief gespalten wie kaum ein anderes Thema. Teile der (radikalen) Linken stellten sich bedingungslos auf die Seite palästinensischer Befreiungsbewegungen, andere Gruppen betonten die unverhandelbare historische Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel. Der Konflikt wurde symbolisch stark überhöht und zu einem heiligen Gral der Identitätsfrage.
Auch wenn die deutsche Linke sich diesbezüglich in Teilen verändert hat, entstanden einige unüberbrückbare Gräben, die bis heute nachwirken. Dies führte dazu, dass linke Bündnisse und Strukturen an dieser Frage komplett zerbrachen, Demonstrationen eskalierten und politische Lager dauerhaft entfremdet wurden. Wir haben das in der fast ein Vierteljahrhundert langen Geschichte von USP beobachten müssen, waren Teil der Auseinandersetzung und haben erlebt, wie Dinge daran kaputt gingen. Der Konflikt ist so komplex und emotional aufgeladen, dass er Gemeinschaften spaltet.
Aus dieser Lehre gibt es seit mehr als 20 Jahren die Bemühungen in der Fanszene, den Konflikt und seine inhaltliche Diskussion aus dem Stadion fernzuhalten. Nicht, weil er uns egal war oder ist – sondern weil das Spaltungspotenzial als zu bedrohlich eingeschätzt wurde. Dass daraus seit einiger Zeit von bestimmten Leuten die Erzählung gebastelt wird, St. Pauli und seine Fans seien „pauschal auf Seiten Israels und dessen Regierung“ ist nicht wahr.
Während wir das Existenzrecht des Staates Israels genauso wenig infrage stellen wie die Notwendigkeit eines palästinensischen Staates würden wir als antifaschistische Gruppe niemals Partei ergreifen für die zutiefst rassistische und rechtsradikale Regierung Israels und ihre enthemmten Verbrechen – und haben dies auch in der Vergangenheit nie getan. Was wir getan haben und immer wieder tun werden war, unsere Solidarität auszudrücken mit unseren Freund*innen von Ultras Hapoel – die direkt Betroffene des Terroranschlags der Hamas am 07.10. waren – und Trauer zu bekunden über die Opfer wie Hersh Goldberg-Polin, mit dem wir viele gemeinsame Freundschaften teilten.
Dieser Ausdruck von Solidarität und Trauer wurde uns in der Außenwirkung als einseitig ausgelegt. Das war immer falsch, wir werden uns aber nach wie vor nicht von Kreisen treiben lassen, die die Enttäuschung ihrer falschen Projektionen auf unseren Verein auf diese Weise verarbeiten.
Beim Heimspiel gegen Augsburg haben wir uns entschieden, die Tapete mit der Aufschrift „Netanjahu, fascist! Stop killing civilians in Palestine“ zu zeigen. Wir haben uns mit diesem Schritt Zeit gelassen, weil wir wie oben beschrieben identitär aufgeladene Grabenkämpfe in unserem Stadion verhindern wollen. Hinter diesem Wunsch stehen wir noch immer – wir wollen unsere Fanszene als Gemeinschaft erhalten und nicht von Spaltung bedroht sehen. Dennoch erschien uns ein weiteres Schweigen zum unfassbaren Leid der Zivilbevölkerung als nicht mehr tragbar. Wir haben uns für unser Vorgehen entschieden, da es den verschiedenen Positionen möglichst gerecht wird und mit dem Fokus auf die faschistisch-rassistische Regierung in Israel und das Leiden der Zivilbevölkerung in Palästina etwas schafft, auf das sich alle einigen können sollten, die sich mit unseren Werten identifizieren.
Wir appellieren an alle Teile unserer Fanszene, den Fokus weiter auf das Gemeinsame zu legen und sich nicht aufgrund innerlinker Differenzen zu bekriegen!
Ob man uns bisher eine einseitige Haltung aus Böswilligkeit oder Unkenntnis unterstellt, ist für uns nicht relevant und wir halten es auch für weitere Jahre aus, dass Leute Lügen über uns verbreiten. Dennoch ist es für uns elementar und Teil unserer Identität, gegen Diskriminierung und Unrecht einzutreten. Akteur*innen in Israel wie die von der Partei „Likud“ geführte Regierung mit ihren Koalitionspartner*innen, die zudem rassistische Siedler*innen unterstützen, widersprechen jedem Ideal, für das wir stehen. Wir verachten diese Feind*innen der Freiheit und standen und stehen an der Seite all jener, die Leidtragende der menschenverachtenden Politik sind – egal wo sie leben und welche Identität sie haben.
Uns sind die Graustufen in der Betrachtung des Konflikts wichtig – eine Einseitigkeit in beide Richtungen kann dem Thema und dessen Opfern nie gerecht werden. Hier kann auch die Hamas niemals – insbesondere von links – als progressive Kraft verklärt werden, sondern muss aufgrund ihrer menschenfeindlichen Gewalt klar als Feindin einer befreiten Gesellschaft benannt werden, die für Leid auf beiden Seiten sorgte und sorgt.
Elementar wichtig ist für uns, konkrete Solidarität mit der Zivilbevölkerung und den Opfern dieser schrecklichen Situation zu zeigen. Das Leid in den palästinensischen Gebieten, insbesondere der Hunger und die blanke, existentielle Not in Gaza sind verstörend und unerträglich. Dass die israelische Regierung mit der angestrebten Ein-Staaten-Lösung jeden Tag auch die noch nicht ermordeten Geiseln der Hamas ein Stück näher in Richtung Tod bringt, zeigt die durchgehende Menschenverachtung aller handelnden Personen.
Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass es irgendwann Frieden im Nahen Osten und eine Zwei-Staaten-Lösung gibt, in der alle Menschen in Würde und Sicherheit leben. Und wir wollen handlungsfähig bleiben in unseren Aktivitäten für Freiheit, Gerechtigkeit und Würde.
Wir werden daher beim nächsten Heimspiel gegen Leverkusen Spenden für „Clean Shelter“ sammeln, um die Menschen in Palästina direkt zu unterstützen.
Wir haben uns für die Initiative „Clean Shelter“ entschieden, weil sie von zwei Frauen mit palästinensischer und israelischer Identität initiiert wurde, die sich im gemeinsamen Ziel, die Not in Gaza zu lindern einig sind und bisher vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erhalten hat. Damit möchten wir auch jenen Mut zusprechen, die die Werte von Dialog und Eintreten für universelle Menschenrechte nicht aufgegeben haben.
Die Sammlung findet in der Südkurve und vor dem Spiel vor der Gegengerade statt.
Packt ein paar Euro mehr ein und zeigt mit uns gemeinsam, dass praktische Solidarität im echten Leben stattfindet – unabhängig davon, welche irrelevanten Diskussionen in sozialen Medien geführt werden!
Mehr Infos zu Clean Shelter und die Möglichkeit zur Onlinespende findet ihr hier: https://www.cleanshelter.org