Podiumsdiskussion in der Südkurve mit Andy Grote und Rainer Koch
Hallo Sankt Pauli-Fans,
am Donnerstag, den 17.10.2019, um 19:10 Uhr soll im Ballsaal der Südkurve die Podiumsdiskussion „Unser Fußball – braucht neue Werte“ von der Initiative „Fairnetzer.1910“ stattfinden. Dieser Kreis möchte unter anderem durch Diskussionsveranstaltungen rund um den Fußball kritische Denkanstöße geben und ist auch oftmals durch karitative Aktionen positiv aufgefallen. So weit, so gut.
Neben anderen Podiums-Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind Hamburgs Innensenator Andy Grote und DFB-Vizepräsident Rainer Koch geladen. Wir halten die Teilnahme dieser beiden Personen bei einer Diskussion über „Werte“ in unserem Stadion für völlig deplatziert und nicht akzeptabel.
Dass sich Funktionsträger im Verein in ihrer Rolle sowohl mit Verbandsfunktionären als auch Innensenatoren austauschen, mag uns nicht immer gefallen, halten es allerdings für normal. Dass solche Personen allerdings in unserem Stadion auftreten und ihre Positionen dadurch in einen Vereinskontext gerückt werden, erzeugt in verschiedensten Gruppen, Institutionen und Zusammenhängen erhebliche Irritationen sowie Unmut.
Der FC St. Pauli war seit Ende der 80er-Jahre immer mehr als nur die Profi-Fußball Abteilung der Herren und steht für antifaschistisches, antisexistisches und antirassistisches Engagement. Solidarität und unser Zusammenhalt – gegen Diskriminierungen, polizeiliche Willkür und Repressionen sind Teil der Vereinskultur. Diese Werte und diese Kultur treten die erwähnten Personen mit Füßen.
Andy Grote hat politisch den Verlauf des G20-Gipfels und die enorme, unkontrollierte, völlig ausgeuferte und im Nachgang in keiner Weise aufgearbeitete Polizeigewalt zu verantworten. Nicht nur, dass er die schlimmen Grundrechtseinschränkungen, die vielen Verletzungen und den erschütternden Polizeiputsch gegen den Rechtsstaat zugelassen hat – nicht nur, dass noch immer Menschen wegen Nichtigkeiten mit absurden Repressionen überzogen werde – nein, die Konsequenz des G20-Desaster ist jetzt sogar, dass er an einer weiteren Ausweitung polizeilicher Befugnisse durch das neue Polizei-Aufgabengesetz strickt. Neben der grundlegenden Befürchtung, dass dieses wissentlich gegen EU-Recht verstößt, wird es nach Einschätzung von Experten und Menschenrechtsgruppen vor allem Fußballfans, politische Aktive sowie Refugees und andere Marginalisierte ohne schützende Lobby treffen. Hierzu wurde im Stadion beim Heimspiel gegen Sandhausen mit einem eindeutigen „NEIN!“ bereits Stellung bezogen.
Die Werte, die Andy Grote vertritt, sind seine Karriere, politische Rückratlosigkeit und Aushöhlung demokratischer Kultur.
Mit Rainer Koch ist des Weiteren eine Person eingeladen, die ohne Zweifel als absolute Reizfigur des Verbands bezeichnet werden kann. Er ist Verfechter der Montagsspiele, agitiert gegen die Fanszenen und bedroht vieles von dem, was wir an Fußballkultur und dem Fußball schätzen. 2013 soll er Funktionäre bedroht und erpresst haben, um die Besetzung von Gremien nach seinen Wünschen zu gestalten. Falls dieser Typ etwas zu „Werten“ im Fußball beitragen möchte, sollte er vielleicht noch die Ergebnisse der DFB-eigenen „Ethikkommission“ abwarten, die derzeit gegen ihn ermittelt.
Mit den beiden genannten Personen soll jetzt ausgerechnet zwei Hardlinern, die in ihren Bereichen für eine erschreckende autoritäre Umgestaltung der Gesellschaft stehen, in unserer Südkurve eine Bühne geboten werden. Dies werden wir in dieser Form nicht akzeptieren.
Wir bedauern, dass wir die Organisatoren vor Herausforderungen stellen. Grundsätzlich begrüßen wir es, wenn Fanclubs und Initiativen Diskussionen über Werte im Fußball anregen. Aus den dargelegten Gründen wünschen wir uns in diesem Fall von den Veranstaltern dennoch, wahlweise die beiden genannten Personen auszuladen oder den Veranstaltungsort zu verlegen.
Sollte sich keine Lösung abzeichnen, rufen wir alle dazu auf, die Veranstaltung entsprechend zu begleiten.
Es gibt nur eins, das größer ist als unsere Liebe zur Freiheit. Unser Hass auf die, die uns diese Freiheit nehmen wollen.
Ultrà Sankt Pauli, Oktober 2019