Kundgebung am 14.01.2012 vor dem Flüchtlingslager in Horst
Am Samstag, den 14. Januar 2012 fand vor dem Flüchtlingslager in Horst-Nostorf eine Kundgebung statt, um Solidarität mit den Menschen, die dort leben müssen, zu demonstrieren und auch direkt auszuüben. Das Lager in Horst ist ca. eine Autostunde oder eine unwegsame Zugreise vom Millerntor entfernt.
Die erste Demonstration gehörte allerdings der Staatsmacht. Schal, Mütze und Handschuhe waren noch völlig eingepfeffert vom Wochenende davor, als Nazis, Bullen und irgendetwas dazwischen ein Fußballturnier zerstörten und diverse Schwachköpfe aus der medienschaffenden Industrie zu Höchstleistungen anstachelte. „Enteignet Springer!“ kann da nur die Minimalforderung sein. Unschöne Erinnerungen an ein Ereignis, das sich auf keinen Fall am heutigen Tage wiederholen durfte, da ein derartiges Erlebnis für die Flüchtlinge ungleich traumatischer sein dürfte.
Die zweite Demonstration gehörte wieder der Staatsmacht bzw. ihrer Rolle in diesem Scheißsystem. Die Isolation der Menschen im Lager wird durch die Abgeschnittenheit von der Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs verstärkt. Dies zwang uns dazu, eine eigene Infrastruktur mit gemieteten Bussen und einen Shuttleservice bereitzustellen. Der Ort im Niemandsland ist keinesfalls zufällig, sondern bewusst gewählt. Wären die Zustände in dem Lager öffentlich sichtbar und dieses besser erreichbar, würde sich die Staatsgewalt sicherlich öfter Proteste bekämpfen müssen. So verschwand auch der Hungerstreik gegen die dortigen Verhältnisse im Herbst 2010, der einige mediale Aufmerksamkeit erfuhr, schnell wieder von der Bildfläche. Somit war auch die Intention für die Aktion vor Ort Unterstützung für die Menschen im Lager sowie Öffentlichkeit schaffen für die dortigen Zustände. Zu diesem Zweck wurde in der Sankt Pauli Fanszene zu Kleiderspenden aufgerufen, und es war schön zu sehen, wie dieser Aufruf zum wiederholten Male auf positive Resonanz stieß.
Die dritte Demonstration gehörte ebenfalls der Staatsmacht, aber, soviel kann vorweggenommen werden, es war ihre letzte. Eine „Verkehrskontrolle“ 100 Meter vor dem Lager in einer kleinen Zufahrtsstraße, die garantiert nur von Kundgebungsteilnehmer_innen genutzt wird, führte zur Aufnahme einiger Personalien und Bußgeldern wegen wasweißichwas. Reine Schikane.
Ab diesem Zeitpunkt hielten sich die Schergen dann glücklicherweise zurück. Vor dem Lager waren verschiedene Tische mit Kleidung und warmen Getränken aufgebaut. Banner wie „No Border – No Nation“ zierten den Zaun vor den Baracken, die die Menschen vor Nazis schützen soll, wie gerne von den Befürwortern dieses Lagers behauptet wird. Dieser ekelerregende Zynismus sagt mehr über diese Rassisten aus, als ihnen lieb sein kein. Wir wollten uns auf diesen „Schutz“ aber nicht verlassen und stellten lieber eigene Strukturen. Nach und nach kamen dann gegen Mittag die Menschen auf dem Lager und mischten sich unter die Aktivisten, die sehr zahlreich erschienen waren. Zusammen mit anderen, antirassistisch agierenden Gruppen und Aktivist_innen wurden in Redebeiträgen in mehreren Sprachen auf die Situation im Lager, die medizinische und rechtliche Unterversorgung und die gesellschaftliche Isolation aufmerksam gemacht sowie der Bezug zur Gesamtmisere des Kapitalismus hergestellt. Durch die Zurückhaltung der Bullen und des Lagerpersonals konnte eine gelöste Stimmung entstehen. Das gute Wetter tat sein übriges. Es wurde sich ausgetauscht, gesungen und getanzt. Kinder spielten mit Straßenkreide auf dem Parkplatz, der normalerweise für die Pkws der Lagerwächter_innen vorgesehen ist und das offene Mikrofon fand ebenfalls regen Zuspruch. Nicht zuletzt wegen der positiven Reaktionen der Presse, deren Berichterstattung zwar, wie nicht anders zu erwarten war, sehr oberflächlich blieb, aber immerhin die Menschenunwürdigkeit des Lagerlebens hervorhob, war die Kundgebung ein großer Erfolg und sollte Ansporn für weitere derartige Aktionen sein. Großer Dank gebührt den zahlreichen Ultras, die sich auf den weiten Weg gemacht haben.
USP Antirazzista