Hungerstreik und Proteste im „Flüchtlingslager“ in Horst

Der folgende Text bezieht sich auf einen Hungerstreik, der 2010 im Flüchtlingslager Horst stattfand.

Seit 2005 steht USP in Kontakt mit Migrant_innen, die im „Flüchtlingslager“ Horst untergebracht sind, versucht sie mit Spenden zu unterstützen und lädt sie zu den Spielen des FC Sankt Pauli ein. Der folgende Text befasst sich mit der aktuellen Situation im Lager Horst. Uns gilt es allerdings die Perspektive zu betonen, das Lager egal wo und in welcher Form scheiße sind. In Horst, in Parchim, in der nähe von Osnabrück, überall! Lager abschaffen!

Die Bedingungen im Lager, in dem zumeist Menschen untergebracht sind, deren Asylanträge abgelehnt wurden und deren Abschiebung bevorsteht, sind weiterhin alles andere als menschenwürdig. Außerdem dient das Lager als Erstaufnahmeinrichtung des Landes Hamburg, von der aus die Migrant_innen innerhalb von 3 Monaten auf andere Einrichtungen umverteilt werden sollen. Die Praxis sieht jedoch anders aus, denn viele Menschen müssen für einen weitaus längeren Zeitraum im Lager verweilen. Nicht, dass sie bei einer Umverteilung das blühende Leben erwartet, aber die Situation in Horst ist dermaßen perspektivlos, dass am 13.09.2010 ein Mann aus Afghanistan in Hungerstreik getreten ist. Er will den Streik so lange fortsetzen, bis er eine andere Unterkunft erhält, in der er nicht isoliert und ohne Kontakt zur Bevölkerung unter menschenunwürdigen Bedingungen leben muss. Mit Hilfe der Bullen wurde er bereits unter scharfem Protest und gegen seinen Willen ins Krankenhaus gebracht, wo er Infusionen erhielt und in die psychiatrische Abteilung verlegt wurde.
Am 17.09.2010 fand eine weitere Aktion von etwa 40 Migrant_innen aus dem Lager statt, bei der sie einige Stunden mit zugeklebtem Mund und mit Schildern und Transparenten vor der Kantine gegen ihre Lebensbedingungen im Lager demonstrierten. Die Proteste wurden von Aktivist_innen auf der anderen Seite des Zauns unterstützt.

Sie protestieren gegen:

– Völlige Isolation: Flüchtlinge, die Mecklenburg-Vorpommern zugeteilt sind, müssen oftmals ein Jahr und länger in Nostorf/Horst bleiben. Sie haben kaum Kontakt nach außen, da die Unterkunft auf dem Lande, 8 km von Boizenburg entfernt, liegt und am Wochenende nicht mal per Bus erreicht werden kann.

– Völlig unzureichende rechtliche Beratung: Die dort untergebrachten Menschen fühlen sich mit dem Asylverfahren völlig allein gelassen. Die Beratungsstelle des Flüchtlingsrats Mecklenburg-Vorpommern ist nur einmal pro Woche, jeweils dienstags, von 9 – 15 Uhr geöffnet. Die dort arbeitende Mitarbeiterin muss 300 – 400 Menschen betreuen, was unmöglich ist. Nicht einmal die Fahrten zu Rechtsanwält_innen und Beratungsstellen, geschweige denn die rechtliche Beratung durch Rechtsanwält_innen, können die dort zwangsweise untergebrachten Menschen bezahlen. Sie erhalten maximal 40 Euro pro Monat. Die Chance auf ein faires Asylverfahren wird ihnen konsequent und bewusst vorenthalten.

– Völlig unzureichende medizinische Versorgung: Die Menschen erhalten zum größten Teil nur Schmerzmittel (Paracetamol), die Überweisung zu Fachärzt_innen wird oftmals verweigert und erfolgt dann auch nur bei mehrfachem Nachfragen.

– Das Essen, so die Menschen dort, sei eine Katastrophe. Zudem sei die Mensa viel zu klein. Die Leute müssen lange draußen warten, um eingelassen zu werden, da in Etappen gegessen wird. Viele der Betroffenen sind deshalb sehr aufgebracht. Hierin liegt wohl auch die Ursache für den Streit, der am 30.08.2010 in der Kantine ausgebrochen und eskaliert ist und zu mehreren Verletzten, drei davon schwer, geführt hat.

Der Hungerstreik hält an und es sind für die nächsten Tage und Wochen weitere Aktionen geplant. Da das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns bereits verlauten ließ, dass die Erstaufnahmeeinrichtung in Nostorf/Horst voll den Anforderungen einer menschenwürdigen Unterbringung von Asylbewerbern entspräche, ist nicht zu erwarten, dass auf die Forderungen der Migrantinnen & Migranten eingegangen wird. Es ist also recht wahrscheinlich, dass sich die Situation im Lager in den nächsten Wochen verschärfen wird. So bitter die deutsche Realität gerade für Migrant_innen auch ist, erfreut es, dass sich aus ihren Reihen Widerstand regt. Diesen gilt es zu unterstützen, also haltet Augen und Ohren offen.