Hallenturnier-Nachlese

Hallo St. Pauli-Fans,

es ist nicht nötig, dass wir die Geschehnisse des letzten Freitags noch einmal detailliert Revue passieren lassen. Aufgrund der hohen Anzahl an verletzten Sankt Pauli Fans, der brutalen Vorgehensweise der Einsatzkräfte vor Ort und nicht zuletzt der systematischen Diffamierung und Verfolgung lobbyloser Fußballfans und einer Besorgnis erregenden gesamtgesellschaftlichen Hetzjagd gegen diese, haben wir uns dennoch entschlossen, zu den Ereignissen Stellung zu beziehen.

Obwohl wir nicht in eine der klassisch- heuchlerischen Opferrollen schlüpfen wollen, auf die sich mediale Berichterstattungen hauptsächlich nach gewaltsamen Auseinandersetzungen fokussieren, wollen wir festhalten, dass die offizielle Stellungnahme des Vereins in der Hinsicht ein Durchbruch ist, da die Vereinsoffiziellen nach vielen Fällen, in denen derartige Stellungnahmen angebracht gewesen wären, dieses Mal den Mut hatten, die Polizei offen für ihr Verhalten zu kritisieren. Insbesondere Stefan Orth und Sven Brux gebührt Anerkennung für die klaren Worte.

Erfreulich ist, dass die Stellungnahme des Vereins die Kausalität der Ereignisse klar benennt. Das Verhalten der Polizeikräfte hat die Situation nicht bereinigt oder entschärft, sondern erst ausgelöst und war, ob es Innensenator Neumann passt oder nicht, Ausgangspunkt der Zusammenstöße. Dass die schlimmen Angriffe auf St. Pauli-Fans, die vielen Verletzten und die Mißhandlungen durch Beamte des deutschen Staates nicht unbeantwortet blieben, ist nachvollziehbar und wird sich auch in zukünftigen Situationen nicht ändern.

Es gab am gesamten Abend nur wenige Sekunden Kontakt zwischen den Fans beider Mannschaften – nahezu alle der laut Medienberichten rund 90 Verletzten sind erst danach durch die völlig entfesselte Gewalt der Einsatzkräfte zu Schaden gekommen. Die Dunkelziffer der durch Pfefferspray verletzten Fans dürfte deutlich höher liegen. In diesem Kontext entlarvt die absurde Argumentation von Einsatzleiter Robert Golz, die Polizei habe Verletzte und weiteren Ärger verhindern wollen, die systematischen Lügen der Polizei Hamburg ein weiteres Mal. Unnötig, auf die vielen weiteren Unwahrheiten einzugehen, die das Dahinvegetieren der geschlossenen Einheiten bar jeder demokratischen Kontrolle legitimieren sollen. Wir kennen sie zur Genüge.

Ignoriert daher die Aufrufe zur Denunziation, die Polizei ist nicht daran interessiert, die Vorfälle aufzuarbeiten, sondern daran, Fans zu belangen, die sich gegen die Angriffe gewehrt haben. Lasst den Staat im Trüben fischen!

Eine im Grunde sogar tragische Rolle spielt Turnier-Organisator Peter Sander, der ob der Ereignisse ehrlich konsterniert wirkt. Seine Naivität und seine Unfähigkeit rechtfertigen jedoch in keiner Weise seine dreisten und undankbaren Aussagen über Fußball-Fans. Die Mannschaft und die Ultras von Sankt Pauli haben das Hamburger Hallenturnier seit Jahren maßgeblich geprägt und bereichert, wenn nicht gar am Leben gehalten. Die Teilnahme von USP am Turnier für Unterstützer und Sponsoren stand sinnbildlich für dieses Engagement. Hierfür wurde uns oft gedankt und die letzten Jahre haben gezeigt, mit welcher Intention St. Pauli-Fans dieses Turnier besucht haben. In den letzten Jahren haben wir von Jahr zu Jahr mehr Karten für das Turnier abgesetzt. In 2011 belief sich die Zahl auf rund 750 Tickets pro Tag, so dass mehr als die Hälfte aller im Vorfeld verkauften Karten durch USP abgesetzt wurden. Völlig verwirrt und dreist wirken daher die in der Presse getätigten Aussagen zum diesjährigen Turnier, in denen Peter Sander uns vorwirft, an den Ereignissen eine Mitschuld zu tragen.

Es waren die Ultras, die seit Jahren Kontakte zu befreundeten und uns neutral gegenüberstehenden Vereinen und deren Anhängern, teilweise aus dem Alerta-Netzwerk, hergestellt und ehrenamtliche Mithilfe angeboten haben. Auch in diesem Jahr wurden Chemie Leipzig und Babelsberg angefragt. Der Veranstalter hatte aber daran kein Interesse und ignorierte zudem alle Hinweise unsererseits, dass die Konstellation der eingeladenen Vereine zu Problemen führen wird. Nach der Absage des HSV wurde durch Viva con Aqua noch einmal angeregt, die USP-Kontakte zu nutzen. Zu diesem Zeitpunkt, wenige Wochen vor dem Turnier, hat der Veranstalter Babelsberg kontaktiert, die dann schon alternative Planungen abgeschlossen hatten.

Unverständlich auch die Reaktion auf unsere Versuche, die Gewaltspirale nicht vollkommen eskalieren zu lassen. Obwohl es bis dahin weder auf dem Weg zur Halle, noch auf der Veranstaltung selber zu Ärger gekommen ist, umstellte die Polizei den gesamten Fanblock und schuf so eine Bedrohungssituation, die dem Verhalten an dem Tag und dem in den Vorjahren in keiner Weise angemessen war und als Gängelung und Provokation verstanden werden musste. In den unteren Reihen wurden Fans permanent hin- und hergedrängt und aus nächster Nähe abgefilmt. Es gab hierzu im Laufe des ersten Turnierspiels ein Gespräch mit Herrn Sander und dem Chef des Sicherheitsdienstes, bei dem auch Helmut Schulte anwesend war und mit Hilfe dessen geklärt werden sollte, welchen Zweck diese Aktion hatte, da bis dato keinerlei Aggression von unserem Block ausging. Dem dringenden Appell, einen Abzug der Einsatzkräfte aus dem Fanblock zu veranlassen, wurde nicht nachgekommen. In einer Reihe mit vielen unserer Vorschläge der letzten Jahre, um ein friedliches und stimmungsvolles Hallenturnier zu feiern, wurde auch dieser finale Versuch, die Situation nicht weiter aufzuheizen, von den Organisatoren ignoriert und der Abend nahm seinen bekannten Lauf. Ein abermaliger Anruf, um über die Situation vor der Halle und die vielen Verletzten aufzuklären, blieb ebenfalls folgenlos.

Zu klären ist nun organisatorisch, was mit den Karten für den zweiten Tag geschieht. Nach dem respektlosen Verhalten der Veranstalter nicht nur im Nachgang der Zusammenstöße sind wir nicht bereit, auf die Eintrittsgelder zu verzichten und sie dem Veranstalter quasi zu schenken. Wir haben stattdessen vor, das Geld zur Unterstützung von Fans zur Verfügung stellen, die sich nun ärztlichen Behandlungskosten und Strafverfolgung gegenübersehen. Im Grunde erwarten wir das von allen Leuten, die die Karten über USP bekommen haben. Wir werden euch über ein genaues Vorgehen noch einmal informieren, wenn eine konkrete Abwicklung abgestimmt worden ist.

Schade, dass ein Turnier, dass uns in den letzten Jahren trotz aller Kritik viel Freude gemacht hat und zu dem wir auch dieses Jahr in guter Stimmung und friedlicher Absicht erschienen sind, nun so enden musste. Eine Polizei mit einem wieder mal erschreckenden Gewaltfetisch und ein naiver Veranstalter werden wohl dafür gesorgt haben, dass es ein Turnier dieser Form in Hamburg nicht mehr geben wird. So erübrigen sich Gedankenspiele, ob wir auch im nächsten Jahr noch mal einer Veranstaltung Leben einhauchen, die sich seit dem Ausscheiden von Horst Peterson verändert hat und auch schon im letzten Jahr zu einer Showbühne für verrückte Staatsdiener wurde.

Gute Besserung allen verletzten St.Pauli-Fans und Dank an die Vereinsführung für die klaren Worte, die auf das gesellschaftliche und von den Boulevardmedien stets verschwiegene Thema Polizeigewalt und mangelnde demokratische Kontrolle aufmerksam gemacht haben, die sich schützend vor die Mitglieder und Fans stellen und die auch die erschütternd schlechte Leistung der Medien und der Berichterstattung nicht unerwähnt lassen.

Viele Grüße an alle braun-weißen “Krawallmacher”, “Kriminelle”, “Chaoten”, “Unverbesserliche”, “Idioten”, “Störer”, “dreckigen Pauli-Fotzen” (Beamter der Einsatzhundertschaft) und “Linksextremisten”!

Ultrà Sankt Pauli, Januar 2012

Von Gazzetta am 13. Januar 2012 19:28 in Infos